Brett-/Kartenspiel,  Reviews

Review: Custom Heroes – Card Crafting trifft Stichspiel

Das neuartige „Card Crafting“ von AEG wurde erstmals bei Mystic Vale benutzt, und das überaus erfolgreich. Doch dabei blieb es nicht: Bei Custom Heroes wird ebenfalls auf diese Mechanik gesetzt, was das Stichspiel mit Manga-Optik von der Konkurrenz abhebt.

Dieses Spiel wurde uns durch Asmodee als Demospiel zur Verfügung gestellt. Es gehört zu unserem Fundus an Spielen, welche wir auf Events supporten.

Thematik

Ein Hintergrund für das Spiel existiert nicht – was für ein Stichspiel auch nicht vonnöten ist. Optisch erwarten uns Androiden, Catgirls und weitere ansehnliche Charaktere im Manga-Stil.

Spielmaterial

Das Spielmaterial out-of-the-box

Auf dem ersten Blick mag man sich wundern, wie viel Material im kleinen Karton zu finden ist – aber keine Sorge, alles hat seinen Sinn. Und schon hier darf man (korrekt) vermuten, dass Custom Heroes über ein einfaches Stichspiel hinausgeht.

An normalen Karten (Pappe, Standard-Pokergröße) finden wir 60 Stück vor: Zehn unterschiedliche Karten, die die Nummern 1 bis 10 abdecken, jeweils sechsmal vorhanden. Hinzu kommen 80 Kartenhüllen für diese Karten – was uns immerhin 20 Hüllen als Ersatz lässt, falls mal eine reißt. Vermutlich dürfte nahezu niemand jemals so viele Ersatzhüllen brauchen.

Auf durchsichtigem Plastik finden wir insgesamt 84 Aufwertungen – diese werden später zu den normalen Basiskarten in die Schutzhüllen wandern um die Karten zu verändern. Zum Schutz sind diese Plastikkarten alle mit einer Schutzfolie versehen, die man aufwändig abknibbeln kann – oder man lässt sie einfach drauf. Nach einigen Partien werden sich die Schutzhüllen nach und nach von selbst lösen.

Die Anleitung ist ansehnlich gestaltet, ohne zu knallig-bunt zu sein

Da wir den Großteil der Aufwertungen zufällig ziehen ist auch ein Stoffbeutel vorhanden, wo wir diese drinnen „verstecken“ können. Außerdem sind sechs kleine Sichtschirme enthalten, hinter denen wir unsere noch ungenutzten Aufwertungen vor dem Blick unserer Mitspieler schützen. Zudem findet sich auf der Innenseite eine Übersicht über die Belohnungen nach jeder Runde in Abhängigkeit von Spielerzahl und Platzierung.

Zuletzt finden wir noch drei Stanzbögen mit ausreichend Markern vor. Generell lässt sich nichts Negatives über die Qualität sagen. Lediglich die Schutzfolien auf den Aufwertungen scheinen unnötiger Plastikmüll zu sein. Auch die Anleitung hinterlässt mit ausreichenden Beispielen und leichter Verständlichkeit einen guten Eindruck.

Spielablauf

Aufbau

Pro Spieler wird ein Satz der Karten mit den Nummern 1 bis 10 zusammengemischt.  Jeder Spieler erhält einen Sichtschirm und eine der folgenden Aufwertungen: Kodora und Mystische Form. Zudem erhält jeder einen Siegpunkt, 2 Powermarker und eine weitere, zufällige Aufwertung

Spielzug

Die zehn Basiskarten im Überblick

Begonnen wird mit der Vorbereitungsphase. Jeder Spieler erhält 10 zufällige Karten vom Kartenstapel. Hiernach darf man optional die Spezialfähigkeit seiner Kodoras aktivieren: Für jede aktivierte Kodora-Karte setzt der Spieler 2 Siegpunkte. Die Karten mit den aktivierten Kodoras werden vor dem Sichtschirm abgelegt – die eigene Hand beinhaltet entsprechend weniger Karten. Wenn man die aktuelle Runde mit dem 1. Platz beendet, erhält man zusätzlich zu den gesetzten Siegpunkten je Kodora zwei weitere. Andernfalls sind die gesetzten Siegpunkte verloren und gehen zurück in den Vorrat.

In der Hauptphase versuchen wir, möglichst als erster unsere Handkarten los zu werden. Beginnen tut derjenige, der zuletzt den Stich gewonnen hat.

Der Startspieler beginnt, eine beliebige Menge Karten mit gleichem Kartenwert zu spielen. Reihum geht es dann weiter, gleich- oder höherwertige Karten zu spielen, wobei die Anzahl der Karten nicht verändert werden darf. Dies geschieht solange, bis alle nacheinander gepasst habe. Derjenige, welcher zuletzt Karten gespielt hat, gewinnt den Stich und wird neuer Startspieler.

Auf der Innenseite des Sichtschirms finden wir die Wertungsübersicht

Kleine Besonderheit: Spielt man die gleiche Karten-Wertigkeit wie der Vorspieler, muss der nächste Spieler aussetzen und wird entsprechend übersprungen.

Haben alle Spieler (bis auf einen) keine Handkarten mehr, wird die aktuelle Runde gewertet. Je besser man abgeschnitten ergo früher alle Handkarten ausgespielt hatte, desto mehr Siegpunkte erhält man. Zudem erhält man Powermarker und Kartenaufwertungen – hier allerdings mehr, je schlechter man abgeschnitten hat, was in den folgenden Runden hilft. Wie diese funktionieren, sehen wir gleich bei den Besonderheiten.

Spielende

Hat ein Spieler die Runde gewonnen und dazu vor der Wertungsphase 10 oder mehr Siegpunkte gehabt, so endet das Spiel.

Alternativ endet das Spiel nach sechs gespielten Runden; Sieger ist dann, wer die meisten Siegpunkte hat. Besteht Gleichstand, so spielen die entsprechenden Spieler eine Finalrunde.

Besonderheiten/Taktik

Die Besonderheit des Spiels liegt in den Aufwertungen. Vor dem Ausspielen einer oder mehrerer Karten kann man diese hinter seinem Schirm aufwerten, indem man entsprechende Karten in die Kartenhülle schiebt. Dabei gibt es vier Slots, von denen jeder einmal belegt werden darf. Schönerweise sind die Plastikkarten passend illustriert und verändern die Illustration mit.

Es gibt folgende Arten von Aufwertungen:

  • Aura (grüner Slot): Ersetzt den Grundwert der Karte.
  • Gegenstände (roter/blauer Slot): Verändern den Kartenwert positiv oder negativ.
  • Begleiter (gelber Slot): Bringen Sonderfähigkeiten mit.

Im gelben Slot kann man zudem die Mystische Form spielen, welche jeder Spieler zu Beginn erhält: Damit kann – unabhängig von der Anzahl der gespielten Karten – jeden Stich schlagen. Dies kostet jedoch zwei Powermarker. Auch das Auslösen einiger Begleiter-Fähigkeiten kostet Powermarker. Das Aktivieren ist jedoch optional. Spielt man eine Karte, ohne eine vorhandene Sonderfähigkeit zu aktivieren, erhält man im Anschluss einen Powermarker.

Beispiele für Aufwertungen in der folgenden Galerie:

Einmal gespielte Aufwertungen verbleiben bis zum Ende des Spiels in den Kartenhüllen – so verändern sich Runde für Runde mehr Karten. Da man zudem nicht weiß, welche Aufwertungen die anderen Spieler noch hinter ihrem Schirm haben, kann man nie wissen was für Karten noch genau folgen können. Dies macht das Spiel wesentlich unberechenbarer, so dass es gegenüber anderen Stichspielen auch zu zweit funktioniert (dazu werden die Regeln außerdem leicht angepasst). Spaßiger ist es dennoch mit mehr Spielern.

Daten & Sonstiges

Daten gemäß Angaben des Herausgebers, soweit verfügbar:

  • Verlag: Asmodee und AEG
  • Autor: John D. Clair
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Spieleranzahl: 2 – 6
  • Alter: 10+
  • Spieldauer: 45 min
  • Preis: ca. 22 – 30 EUR

Die originale, englischsprachige Veröffentlichung von AEG nennt als Mindestalter 14 Jahre – was definitiv zu hoch gegriffen ist. Die deutsche Altersangabe 10+ ist wesentlich realistischer.

Die Mystischen Formen sehen unterschiedlich aus, haben jedoch alle den gleichen Effekt

Wie bei den meisten Spielen von Asmodee kann man sich die Anleitung als PDF runterladen.

Bei AEG läuft das Spiel in der Kategorie „Bin in Japan“, was eigentlich nicht richtig ist: Obwohl Namen und Stil klar auf Manga-/Japan-Stil ausgelegt sind, war kein einziger Japaner beteiligt. Es handelt sich um ein originales Spiel der Amerikaner AEG. Die englische Ausgabe wurde 2017 zweisprachig (englisch/japanisch) veröffentlicht. 2019 erschien bei Arclight auch eine rein japanische Ausgabe.

Fazit

Custom Heroes ist weit mehr als ein schlichtes Stichspiel. Dank der vielen Aufwertungen verändert sich das Spiel immer wieder und wird unberechenbarer. Der Glücksfaktor wird dadurch einerseits höher, denn man kann gute, verstärkte Karten erhalten als auch gute Aufwertungen – oder auch nicht. Andererseits sinkt der Glücksfaktor auch zugunsten von etwas Taktik – denn zum Gewinnen ist es nicht unbedeutend, seine Aufwertungen geschickt einzusetzen.

Letztlich wird durch die Abwechslung der Spielmechanik auch ein hoher Wiederspielwert erreicht. Custom Heroes spielt sich schnell, regelarm und dennoch abwechslungsreich – für eine schnelle Runde zwischendurch, als Absacker oder einen netten Abend ohne Anspruch auf Komplexität ein tolles Spiel, auch wenn es im Kern ein Stichspiel mit einigem Glücksfaktor bleibt.

Titelbild: Asmodee, bearbeitet durch Team Fresssack
Artikelbild: Asmodee
Fotografien: Team Fresssack