Brett-/Kartenspiel,  Reviews

Review: Attack on Titan – Das letzte Gefecht – Würfel-Brettspiel vs. Titanen

Attack on Titan ist weltweit eine der erfolgreichsten Anime-Serie der letzten Jahre. Erfolgreich genug, um mehrere Brett-/Kartenspielumsetzungen zu erhalten. Wir haben uns im kooperativen Deckbuilder von Cryptozoic ins Gefecht gestürzt.

Dieses Spiel wurde privat angeschafft. Es gehört nicht zu unserem Fundus an Spielen, welche wir auf Events supporten.

Thematik

Ähnlich wie im bereits von uns getesteten Deckbuilding Game zum Anime-Hit bringt uns auch das Brettspiel Das letzte Gefecht direkt in den Kampf gegen Titanen.

Levi auf der höchsten Ebene des Titanen

Hier allerdings nur gegen einen einzigen, der dafür aber auch entsprechend mehr Gefahr darstellt. Zudem wird dieser von einem Spielenden gesteuert – es handelt sich hier also um kein rein kooperatives Spiel, wobei die anderen Spieler*innen jeweils einen Charakter aus der Serie steuern und durchaus zusammenarbeiten müssen. Hierzu stehen acht zur Auswahl:

  • Conny
  • Armin
  • Eren
  • Erwin
  • Hange
  • Levi
  • Mikasa
  • Sasha

Spielmaterial

Vier Stanzbögen erwarten uns in der Box

Das Spiel gefällt optisch sofort – vor allem dank des gut 37 cm hohem Titanen-Aufsteller. An diesem werden an passenden Aussparungen insgesamt sechs Plattformen angebracht, damit wir später Heldencharaktere darauf stellen können.

Insgesamt gibt es Höhen von 0 bis 8, wobei 0 den Boden darstellt.

Titan und Turm

Die Höhen 3 und 5 befinden sich nicht auf dem Titan, sondern auf dem Turm, den wir ebenfalls zusammenstecken müssen. Dies gestaltet sich als relativ fummelig – kleine Vorsprünge in kleine Aussparungen, bei einer Konstruktion die frühestens hält, wenn zwei Wände und die Decke zusammengesteckt sind. Allerdings bricht das Ganze gerne schon zusammen, wenn man eben diese Decke (oder die zweite Wand) versucht anzubringen. Hat man den Turm (zwei Etagen, also zweimal zusammenfummeln) aber erst mal fertig hält er ganz gut. Schade, dass er nicht zusammengebaut in den Karton gepasst.

Dafür findet aber alles in Einzelteilen Platz, sogar überwiegend in gut passenden Fächern der Plastikeinlage. Nur der Titan und seine Lebenspunkteleiste passen in kein Fach und liegen zusammen mit der Anleitung on top.

Ordnung im Karton

Generell entsprechen die Pappelemente durchschnittlicher Qualität, was völlig ausreicht. Neben Turm und Titanen sind dies noch diverse Marker und Heldenaufsteller. Diese Aufsteller entsprechen 1:1 jenen des Deckbuildings, kommen aber in andere, besser passende Plastikaufsteller. Schönes Detail bei den Markern: Jeder der 12 Bürger-Marker zeigt eine andere Zivilperson.

Auch die Würfel machen einen guten Eindruck: 5 Stück gibt es pro Farbe (Farben = Heldenspieler = maximal 4), größer als üblich, mit spezifischen Symbolen. Schönerweise nicht nur bedruckt, sondern auch graviert.

Die sechs Würfelseiten – Bewegen, Schwerter, Kanone, Abzeichen, Ausweichen und Titan

Kartenmäßig erwartet die Spielenden 28 Titanen-Aktionskarten in Standard-Pokergröße (7 je Titan) sowie überdimensionierte Karten (15,2 x 10,1 cm) für die Helden, die 7 Taktikkarten und jeweils eine pro Titan. Den Inhalt der Karten hätte man aber wohl auch auf Standard-Größe unterbringen können. Zuletzt sei noch erwähnt, dass es für die Kanonen anstelle von Pappmarkern Holzminiaturen in Kanonenform gibt. So hinterlässt das Material insgesamt einen ziemlich guten Eindruck und ist in Anbetracht des Preises besser und wertiger bestückt als man es vermuten würde.

Spielablauf

Aufbau

Das wird einmal der Turm

Nach Aufbau von Titan und Turm kommen auf letzteren die 6 Kanonen. Die 12 Bürger-Marker werden ausgelegt, ebenso die Lebenspunkteleiste des Titanen mit Marker zum darauf verschieben.

Der Titanen-Spielende sucht sich einen der vier zur Wahl stehenden aus, legt dessen überdimensionierte Karte vor sich ab und die sieben zugehörigen Aktionskarten auf die Hand. Die anderen Spielenden wählen eine Farbe zur Unterscheidung und einen Charakter.

Beispiel für eine Charakterkarte

Die Charakterkarte wird vor der jeweiligen Person abgelegt, der Charaktermarker wird in den Plastikaufsteller der gewählten Farbe gesteckt und vor dem Titanen auf den Boden (Ebene 0) gestellt. Außerdem erhalten alle Helden noch die 5 Würfel ihrer Farbe und drei Herzmarker, die ihre Lebenspunkte darstellen.

Zuletzt werden die sieben Taktikkarten der Helden gemischt und als aufgedeckt liegender Stapel ausgelegt.

Spielrunde

Der Titanen-Spielende wählt zunächst zwei seiner sieben Aktionskarten aus, wobei er die erste offen auslegt und die zweite verdeckt. Die Helden können die Ereignisse dieser Karten später abwehren.

Hiernach würfeln die Helden gleichzeitig. Die Würfel dürfen dabei beliebig oft neu geworfen werden – egal wie viele. Allerdings zeigt einer der sechs Seiten einen Titanenkopf – ein solches Wurfergebnis darf nicht neu geworfen werden, stattdessen wandert der Würfel erstmal zum Titanen.

Beispiel für eine Titanenkarte und seine Fähigkeiten

Sind die Helden mit würfeln fertig, kann der Titanen-Spielende die gesammelten Titanenwürfel ausgeben, um damit Fähigkeiten von seiner vor ihm liegenden Titanenkarte zu aktivieren. Gegen diese Fähigkeiten gibt es keinen Weg sie zu verhindern! Solange genügend Würfel zur Verfügung stehen können Fähigkeiten auch mehrmals genutzt werden. Nur die dritte und zugleich letzte Fähigkeit setzt zusätzlich voraus, dass die Lebenspunkte des Titanen sich im Weak- oder Kill-Bereich befinden. Zu den Fähigkeiten gehören beispielsweise Bürger töten, Selbstheilung, Herzmarker von Helden entfernen oder ihnen Würfel wegnehmen.

Nach diesem Schritt erhalten alle Helden ihre Würfel mit Titanen-Symbol zurück und dürfen diese nun noch einmal werfen und ihrem zuvor erwürfeltem Pool hinzufügen.Danach werden die Aktionskarten des Titanen abgehandelt: Zunächst die offen liegende, danach die verdeckte. Auch hier finden sich so nette Sachen wie Bürger, Herzmarker, Kanonen oder Würfel entfernen, aber auch so etwas wie Helden von bestimmten Ebenen auf dem Turm oder Titanen herunterstoßen. Je nach Kartenart gibt es zwei Arten, wie die Effekte vermieden werden können: werden durch die Karten konkrete Helden betroffen (zum Beispiel „alle Helden auf Ebene 3 oder 5“), dann muss jeder betroffene Held ausweichen, was ihn oder sie zwei Würfel mit Ausweichen-Symbol kostet. Bei Karten, die genereller Natur sind – wie beispielsweise Bürger töten oder Kanonen entfernen -muss die Heldengruppe gemeinsam Taktiksymbole in Höhe der Spielendenzahl aufbringen. In beiden Fällen werden die Effekte der Karte abgehandelt wenn die Helden nicht die entsprechenden Würfel ausgeben können oder wollen.

Beispiele für Titanen-Aktionskarten – unten sieht man, womit man sie abwehren kann

Da die Helden nicht wissen, was auf der zweiten (verdeckten) Aktionskarte passiert, lassen sich hier sehr fiese Dinge bewerkstelligen. So müssen die Helden entweder blind mit den Ergebnis leben, oder versuchen passende Würfel zum Abwehren im Vorrat zu haben – was dann allerdings ihre Möglichkeiten in der folgenden Phase einschränkt.

In dieser können die Helden die noch verbliebenen Würfel (weitestgehend) ausgeben:

  • Bewegen-Symbol: Um eine Ebene nach unten oder oben bewegen. Durch den Turm kann man mit einer Bewegung auch zwischen 0 und 3 (erste Etage Turm) sowie 3 und 5 (zweite Etage Turm) bewegen.
  • Kanonensymbol: Pro Symbol kann eine Kanone abgefeuert werden, die dem Titanen (der maximal 12 verlieren kann) zwei Schaden zufügt. Hierfür muss man sich allerdings auf dem Turm (Ebene 3 oder 5) befinden. Außerdem können in einer Runde maximal so viele Kanonen abgefeuert werden wie sich noch im Spiel befinden.
  • Schwerter-Symbol: fügt dem Titanen jeweils einen Schaden zu, sofern man sich auf dem Titanen befindet.
  • Taktik-Symbol: Sofern diese nicht zum Abwehren von Aktionskarten ausgegeben wurden, kann für man jedes dieser Symbole die oberste Taktikkarte unter das Deck legen, so dass die nächste oben (und damit ausführbar) liegt.
Beispiele für Taktikkarten

Die sieben Taktikkarten selbst führen immer drei Bedingungen aus, die erfüllt werden müssen: Zwei Helden müssen sich auf bestimmten Ebenen befinden und ein oder zwei bestimmte Symbole ausgeben können. Zusätzlich müssen zwei Symbole von irgendwoher aus der Gruppe kommen. Werden die Bedingungen erfüllt und die Würfel ausgegeben wird die Taktikkarte entfernt und ihr Effekt abgehandelt. Dabei ist Hilfreiches wie das Wiederbeleben von Bürgern oder den Titanen instantan in die Kill-Zone zu befördern, aber auch nahezu überlebenswichtige wie dass ab sofort auch die zweite Titanen-Aktionskarte jeder Runde offen ausgelegt werden muss.

Bürger, Kanonen und ein Herzmarker

Zwei Taktikkarten weichen ein wenig ab: Statt als dritte Bedingung Würfel von irgendwem in der Gruppe auszugeben setzen sie voraus, dass die Lebenspunkte des Titanen im Kill-Bereich sind. Werden die Bedingungen dieser Karten erfüllt, wird der Titan getötet. Einen anderen Weg ihn zu besiegen gibt es nicht.

Spielende

Wird der Titan durch eine der zwei Taktikkarten, die ihn töten können, besiegt, endet das Spiel sofort mit einem Sieg für die Helden.

Sieht schlecht aus – alle Helden am Boden und nur noch drei Bürger lebendig

Verlieren können die Helden dagegen gleich auf drei Weisen:

  • Ein Held verliert den letzten (dritten) Herzmarker.
  • Es sind keine Kanonen mehr auf dem Turm.
  • Alle 12 Bürger sind gestorben.

Trifft eines davon ein, hat der Titan gewonnen – und das dürfte häufiger vorkommen als ein Sieg der Helden.

Strategie, Skalierung und Kritik

Zwei Helden auf dem Titan, einer mit Kanonen auf dem Turm – bereit dem Titanen weh zu tun

Je nach gewähltem Titanen muss man anders vorgehen, wenn man diesen steuert. Dabei sind einige schwieriger zu spielen – so kann einer Herzmarker von allen Helden auf Ebene 0 entfernen, kann allerdings nur Helden von Ebene 3 und 5 herunterwerfen. Sobald die Helden dies beachten kann der Titan sie kaum noch töten. Auch Kanonen kann dieser Titan nur mit einer einzigen Aktionskarte entfernen. Der Weg über Bürger ist hier der einzige, der eine gute Aussicht auf Erfolg hat.

Für die Helden ist es oft entscheidend, möglichst früh die Taktikkarte zu erfüllen, die den Titanen zwingt beide Aktionskarten jede Runde offen zu spielen. Zwar darf man eine Aktionskarte nie in zwei aufeinanderfolgenden Runden spielen – genügend Optionen für Gemeinheiten bieten die sieben Aktionskarten meist trotzdem. Und beide abzuwehren gelingt meist nicht – da ist das Wissen, welche Karten in der Runden auftauchen, immens hilfreich.

Die Charakteraufsteller zeiegn auf einer Seite Ganzkörper, auf der anderen nur Portrait

Zwar haben alle Helden eine einzigartige Spezialfähigkeit, dennoch bleibt Das letzte Gefecht für die Helden vor allem eines: Ein Würfelspiel. Entsprechend hoch ist der Glücksfaktor, für die Schwierigkeit gegen die starken Optionen des Titanen unserer Meinung nach zu hoch. Ein fast reines Würfelspiel gegen taktischen Anspruch, Kooperation und hoher Schwierigkeit passt einfach nicht so gut zusammen.

Hinzu kommt eine mangelhafte Skalierung auf die Anzahl der Spielenden. Zu zweit steuert die Person auf Heldenseite gleich zwei Charaktere. Generell müssen mit zwei Helden auch nur zwei Bedingungen auf den Taktikkarten erfüllt sein – welche ist den Helden überlassen, außer bei jenen, die Titanen töten. Dort muss weiterhin der Titan in der Kill-Zone sein und ein Held auf der obersten Ebene stehen. Mit drei Helden spielt es sich aber besser – nicht nur passt es besser zu drei Bedingungen, auch die realistische Streuung von Würfeln mit erwürfelten Titanenseiten passt so besser. Beispielsweise hat ein Titan eine Heilungsfähigkeit für 1 Würfel, die nächstteure Fähigkeit wiederum kostet gleich 4 Würfel– so wurde in den meisten Runden gegen diesen Titan mit zwei Helden oft nur geheilt, was das Spiel sehr in die Länge zog. Mit vier Helden wiederum waren die Bedingungen der Taktikkarten einfacher zu erfüllen, da die Anforderungen gleich bleiben, aber statt drei nun vier Charaktere an der Erfüllung arbeiten können. Auch die Lebenspunkteleiste des Titanen ist unabhängig von der Anzahl der Spielenden.

Daten & Sonstiges

Daten gemäß Angaben des Herausgebers:

  • Verlag: Dont’t Panic Games und Cryptozoic Entertainment
  • Autor: Antoine Bauza und Ludovic Maublanc
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Spieleranzahl: 2 – 5
  • Alter: 14+
  • Spieldauer: 30 min
  • Preis: 33,33 EUR

Auf der Seite von Don’t Panic Games gibt es die Anleitung in mehreren Sprachen zum Download, unter anderem in Deutsch.

Die deutsche Übersetzung weist einige kleine Mängel und Fehler auf. Im Zweifelsfall lohnt sich ein Vergleich des Textes und der Abbildung(en) auf den Aktionskarten. Die wenigen Fehler haben unser Spielerlebnis allerdings nicht verschlechtert.

Fazit

Attack on Titan – Das letzte Gefecht sieht klasse aus und verspricht dank acht Charakteren und vier verschiedenen Titanen mit eigenen Karten (auch wenn es nur einen Titanen zum Aufstellen gibt) Abwechslung. Diese ist auch durchaus gegeben – allerdings funktionieren nicht alle Titanen gleich gut, vor allem bei bestimmten Heldenanzahlen. Generell skaliert das Spiel schlecht auf die Zahl der Charaktere, wobei es immer schwierig bleibt für diese – erst mit vier Helden wird es leichter, ohne zu leicht zu sein.

Zwei Helden auf dem Turm, aber nur eine Kanone – die auch nur einmal abgefeuert werden kann

Für ein Spiel, dass zum Weiterkommen mehrere erfüllte Bedingungen bezüglich Position und Würfelergebnissen fordert und zugleich dem Titanen ermöglicht Helden von Positionen zu entfernen und teils relativ leicht Lebenspunkte entfernt (wovon alle Helden nur drei haben!) ist ein Mechanismus, der abseits von einigen Heldenfähigkeiten komplett auf Würfel setzt, eher fragwürdig. So hatten wir Runden, die dank schlechter Würfe gar nicht vorankamen und nach wenigen Minuten Spielzeit durch Tod eines Helden endeten. Genauso hatten wir auch Runden, wo es dank Heilung immer nur Hin und Her ging, ohne dass eine Seite spürbar ihren Ziel(en) näher kam. Am Ende waren alle froh, dass nebenbei in kleinen Schritten alle Bürger gestorben waren.

So müssen wir leider festhalten, dass das Spiel zwar gut aussieht, die Menge des Materials gegenüber des Preises sehr fair ist und der Spielansatz nett ist – das Balancing und der hohe Glücksfaktor aber unbefriedigend sind. Am meisten Spaß macht es noch als Titan, da man hier dank der Aktionskarten tatsächlich recht strategisch vorgehen kann, während die Helden ihren Würfeln und teils auch den vorgesetzten Aktionskarten ziemlich ausgeliefert sind. Insgesamt daher mäßig, wenn auch kein Totalreinfall.

Titelbild-/Artikelbild: Don’t Panic Games
Fotografien: Team Fresssack