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Review: My Little Pony – Tails of Equestria Erzählspiel

My Little Pony ist nicht nur eine der bekanntesten Zeichentrickserien für Kinder, sondern erfreut sich auch bei älteren Nerds, Otakus und Rollenspielenden einiger Beliebtheit. Wenig überraschend, dass es zum Franchise auch ein offizielles Pen&Paper-Rollenspiel gibt. Schauen wir uns das 2017 auf Deutsch erschienene Grundregelwerk mal an!

Dieses Spiel wurde uns durch Ulisses Spiele als Demospiel zur Verfügung gestellt. Es gehört zu unserem Fundus an Spielen, welche wir auf Events supporten.

Thematik

Beim Erzählspiel handelt es sich um ein klassisches Tischrollenspiel (Pen&Paper-Rollenspiel). Heißt: Eine Person übernimmt die Spielleitung – führt durch die Geschichte, steuert Nichtspielercharaktere und erfüllt Welt und Abenteuer mit Leben. Die anderen Teilnehmenden steuern jeweils einen eigenen Charakter – beschreiben dessen Handlungen, agieren als dieser. Alle Figuren haben dabei bestimmte Fähigkeiten und Werte, die definieren was und/oder wie gut diese etwas können. Üblicherweise werden immer dann, wenn unklar ist ob etwas gelingt, sogenannte Proben mit Würfeln abgelegt, wobei bessere Werte eines Charakters auch zu besseren Ergebnissen beziehungsweise Erfolgschancen führen.

In Tails of Equestria erschaffen sich die Spielenden (außer dem Spielleitenden) einen Ponycharakter und erleben zusammen Abenteuer in der bekannten Welt Equestria – inklusive Aufeinandertreffen und Interaktionen mit bekannten Ponys der Erfolgsserie. Grundwissen über diese Fantasywelt, die anstelle von Menschen mit Ponys bevölkert ist, sollte man dabei mitbringen – das Buch beschreibt diese nicht. Was okay ist – das Spiel richtet sich an Fans der Serie.

Aufmachung

Bunt. Knallbunt! Jedes Kapitel des stabilen Hardcovers ist in einer anderen Grundfarbe gehalten. Hinzu kommen rosa Überschriften, lila Textboxen und Bilder aus der Serie. Jedes Kapitel wird zudem mit einem doppelseitigen Bild eingeleitet, selbst wenn der Abschnitt eh nur aus 2 Seiten besteht. Optisch wird so das Feeling der Vorlage durchaus getroffen.

Die Gestaltung ist stimmig und bunt

Auf der Gegenseite wird das Buch durch den ausschweifenden Einsatz von Bildern wie auch die relativ große Schrift wesentlich dicker als nötig wäre: 152 Seiten ist für ein Rollenspiel-Grundregelwerk zwar noch immer schmal – aber unter 100 Seiten wären hier wohl auch möglich gewesen, ohne dass es optisch zu trocken gewesen wäre. Hübsch ist es jedenfalls, man sollte nur mit weniger konkretem Inhalt rechnen als die Seitenzahl zunächst suggeriert.

Positiv zu erwähnen ist das Vorhandensein eines Indizes und Würfeltabellen. Mit letzterem kann man einfach mit geschlossenen Augen auf die Seite tippen – die Zahl, auf der der Finger landet, gibt das „erwürfelte“ Ergebnis an. Für die meisten Rollenspielenden unnötig, für Einsteiger*innen ohne Sammlung diverser Würfel aber eine tolle Option nur mit dem Buch zu spielen.

Regeln

Generelle Regeln

Wie zu erwarten war sind die Regeln simpel gehalten. Schließlich will man nicht nur Rollenspiel-Nerds mit Faible für My Little Pony ansprechen, sondern auch Neulinge – inkusive Kinder, die ursprüngliche Zielgruppe der Serienvorlage. Dies merkt man dem Buch auch deutlich an – nicht nur sprachlich, sondern auch durch die Bezugnahme beziehungsweise Verweise auf „Erwachsene“.

Jedes kapitel beginnt doppelseitig mit Bild und Überschrift

Grundsätzlich wird jeder Charakter durch drei Attribute definiert: Körper, Geist und Charme. Statt eines Zahlenwertes gibt es aber einfach einen Würfel: Mit 4, 6, 8, 10, 12 oder 20 Seiten. Je besser man ist, umso mehr Seiten hat der Würfel. Damit versucht man, einen Zielwert zu erreichen oder übertreffen. Diese Zielwerte reichen von 2 (sehr leicht) bis „noch nie zuvor gelungen“ (13 – 20).

Um zumindest eine kleine Chance auf Erfolg zu haben gibt es den „Explodierenden Huf“: Schafft man das bestmögliche Ergebnis beim Wurf, darf man im Anschluss den nächstbesseren Würfel werfen und das bessere Ergebnis verwenden. Grundsätzlich kann man sich so „hochwürfeln“ bis zum besten Würfel.

Eine andere Option bieten Freundschaftssteine. Ganz im Sinne der Serie erhält man solche für freundliches Verhalten (sowie einen je Spielenden zu Beginn). Im Spiel kann man diese ausgeben, um einen Würfel neu zu werfen (1 Stein), einen Wurf mit einem zwanzigseitigen Würfel neu zu werfen (2 Steine) oder die Würfelprobe ohne einen Wurf zu schaffen (3 Steine).

Die obligatorische Beschreibung eines Rollenspiels enthält hier auch Hinweise über den pädagogischen Nutzen

Neben den Attributen haben die Ponys noch Begabungen und Eigenheiten. Ersteres entspricht zusätzlichen Fähigkeiten, die ebenfalls einen bestimmten Würfel als Wert haben, beispielsweise Fliegen oder Telekinese. Hiermit wird nicht nur teils vorgegebenen, wer etwas bestimmte kann – ohne die Fähigkeit Fliegen kann man dies einfach nicht – sondern auch wie gut. Bei einer Würfelprobe, wo eine Fähigkeit positiv beitragen kann, werden sowohl Würfel für Attribut als auch Fähigkeit geworfen, und das bessere Ergebnis wird genutzt. Eigenheiten dagegen sind Schwächen – niemand ist perfekt! Diese sollen den Figuren etwas mehr Tiefe geben und einen Ansatzpunkt für individuelle Herausforderungen. Zudem kann man mit diesen mitunter Freundschaftssteine verdienen.

Wichtig zu wissen: Es gibt keinen wirklichen Kampf im Spiel. Ans einziges gibt es „Raufereien“, was jedoch ebenso simpel abgehandelt wird wie eigentlich alles. Mit „Ausdauer“ gibt es zwar etwas ähnliches wie klassische Lebenspunkte – aber im schlimmsten Fall, wenn diese auf 0 sinken, ist das Pony einfach zu erschöpft um weiter zu machen und muss sich ausruhen. Getreu der Vorlage sollte man wirkliche Kämpfe, Waffeneinsatz oder Gewalt nicht erwarten.

Charaktererschaffung und -entwicklung

Auch die Erschaffung des eigenen Pony-Charakters gestaltet sich einfach. Grundsätzlich erhält man W6 in Charme und W4 und W6 in Körper und Geist oder andersherum. Ebenso ist der Anfangs-Ausdauer-Wert festgelegt. Je nach gewählter Ponyart – zu Verfügung stehen Pegasus, Einhorn und Erdpony – erhält man eine spezifische Begabung. Ein Pegasus zum Beispiel erhält die Begabung „Fliegen“ mit W6 – wäre ja auch merkwürdig, wenn ein Pegasus nicht fliegen könnte. Außerdem erhält jedes Pony eine weitere der 16 möglichen Begabungen (die man teils mehrfach haben kann – einige wiederum sind bestimmten Ponyarten vorbehalten) oder verbessert die automatisch durch die Ponyart erhaltene Begabung auf W8.

Der Ponybogen besteht nur aus einer Seite

Außerdem sucht man sich eine Eigenheit aus (oder denkt sich eine aus), wählt ein Element der Harmonie (rein erzählerisch) und entscheidet, was man als Schönheitsfleck haben möchte. Dieser sollte – wie auch der Name – mit der wichtigsten Begabung in Verbindung stehen.

Zuletzt darf man bis zu 400 Gold für Ausrüstung ausgeben. Da die Liste an Kram eher mäßig lang ist wird sehr wahrscheinlich einiges von diesem Gold als eben dieses im Beutel bleiben. Essen ist ab 1 Gold verfügbar (bis 10 Gold), das teuerste Stück ist ein Metall-Rossharnisch für 200 Gold. Waffen gibt es keine.

Damit ist das eigene Pony dann auch schon vollständig erstellt du bereit fürs Abenteuer. Typisch für Rollenspiele kann man seine Figur nach einem Abenteuer verbessern. Dies gestaltet sich ebenso einfach: Ein Attribut erhöhen, unter Umständen die Ausdauer mit erhöhen, Freundschaftssteine erhalten, Begabungen verbessern oder eine neue erlernen. Schon fertig!

Enthaltenes Abenteuer

Neben den erforderlichen Regeln zum Spielen und Erschaffen des eigenen Ponys ist auch ein fertiges Abenteuer im Buch enthalten – perfekt für den direkten Einstieg. Einige Seiten Tipps zum Spielen wie auch zum Spielleiten sind übrigens ebenfalls enthalten.

Mit Bildern wird nicht gegeizt

Das fertige Abenteuer ist 37 Seiten lang – inklusive Einleitung, Abschluss und fünf Seiten mit Spielwerten für andere Lebewesen, auf die man trifft, sowie für die Mane Six (Twilight Sparkle und ihre Freundinnen).

Spoilerfrei: Das Abenteuer ist hervorragend. Es trifft den Geist der Serie, beinhaltet Zusammentreffen mit bekannten Figuren und bietet unterschiedliche Herausforderungen. Dabei ist es leicht möglich, einzelne Abschnitte des Abenteuers zu streichen, um es bei Bedarf zu kürzen. Schönerweise lassen sich die einzelnen Herausforderungen unterschiedlich lösen, kreatives und freundliches Handeln wird belohnt. Die genannten Ideallösungen sind dabei besonders durchdacht und nehmen Bezug auf einen anderen Bestandteil der Serie – klasse!

Zudem gibt es Zufallsereignisse, die man sowohl zur Auflockerung als auch zur Spielzeit-Verlängerung verwenden kann. So ergibt sich ein stimmiges, abwechslungsreiches Abenteuer, welches auf unterschiedliche Weisen gelöst werden kann und zudem Variation und eine flexible Spielzeit bietet. Als Einstiegsabenteuer ist es so perfekt.

Daten & Sonstiges

  • Verlag: Ulisses Spiele und River Horse Games
  • Autoren: Alessio Cavatore, Dylan Owen, Jack Caesar
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: A4, Hardcover
  • Seiten: 152
  • Preis: 34,95 EUR

Neben dem Grundregelwerk gibt es diverses Zusatzmaterial zu erwerben – von Abenteuern und Würfelsets bis hin zu Boxen und Bänden voller zusätzlicher Optionen. Für den Anfang reicht das Grundregelwerk jedoch völlig aus.

Auf der Produktseite bei Ulisses finden sich zum Download der Ponybogen sowie zwei Kurzabenteuer mit zwei beziehungsweise vier Seiten als PDF.

Fazit

My Little Pony – Tails of Equestria ist zwar dank Schriftgröße und vielen Bildern weit dicker geraten, als es nötig wäre, macht ansonsten aber sehr vieles gut: Einfache, aber ausreichende Regeln. Ebenso einfache Erschaffung und Entwicklung von Pony-Charakteren. Geeignet auch für Kinder und völlige Rollenspiel-Neulinge. Und dazu ein perfektes Abenteuer, das begeistert. Mehr Optionen fürs eigene Pony als auch mehr Spielwerte für andere Wesen wären schön gewesen, dürften aber hinsichtlich der einfachen Zugänglichkeit bewusst fehlen und sind in Erweiterungsbänden veröffentlicht worden. Wer Fan der Serie ist darf zuschlagen, auch ohne Rollenspielerfahrung – das Buch bietet alles, was man benötigt zum Einstieg.

Titelbild-/Artikelbild du Ponybogen: Ulisses Spiele
Fotografien: Team Fresssack