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Kickstarter: Steuer-Schock!? Warum CMON und Co nun VAT erheben

Schock bei EU-Backern? CMON verlangt plötzlich neben Versandkosten zusätzlich VAT (hierzulande 19%) – wie aktuell bei Massive Darkness 2, wo es im Gegensatz zum aktuellen Crowdfunding der Firma nicht einmal vorher erwähnt wurde. Wir verraten euch, warum nun VAT zusätzlich berechnet wird.

Dabei wäre es schön gewesen, wenn CMON dies selbst tun würde, statt scheinbar aus dem Nichts VAT in Höhe von 19 % zu erheben – stattdessen schweigt sich die Firma bislang aus, was zu Unverständnis und Ärger führt. Dies kann man den US-Amerikanern durchaus vorwerfen – die Erhebung der VAT ist jedoch, zum Ungunsten europäischer Kickstarter-Backer, rechtlich korrekt und notwendig.

Hinweis: Hierbei handelt es sich um keine Rechtsberatung. Der Beitrag bezieht sich auf offizielle Veröffentlichungen der EU.

Hintergrund

Genau genommen ist die VAT (Value Added Tax) schon bislang zu entrichten gewesen, was jedoch in vielen Fällen wohl umgangen wurde. Petersen Games hat hierzu im Januar 2020 einen sehr lesenswerten Beitrag (in englisch) veröffentlicht, den ihr hier finden könnt.

Demnach werden 19 % (oder mehr) VAT (als Äquivalent zur innerdeutschen Mehrwertsteuer) fällig, auch wenn dies beim Crowdfunding nicht offensichtlich ist. Zu entrichten ist die Steuer – einige Firmen kompensieren diese Kosten durch die Beiträge anderer Backer, oder sie nehmen schlicht hin, dass von 100 USD Einnahme nur ca. 80 USD bei ihnen ankommen. Oder: Sie handeln illegal laut Petersen Games.

Auch bezüglich „Friendly Shipping“ wird sich geäußert: Dies bezeichnen sie als „clevere Idee“ einiger Kickstarter Creator, die aussagt, dass man beim Erhalt des Kickstarters keinen Papierkram zu erledigen oder weitere Kosten zu tragen hat. Aussagen wie „wenn es von innerhalb der EU versandt wird, fallen keine VAT an“ seien schlicht falsch. Verständlich: Selbst beim Handel von Waren innerhalb Deutschlands fallen ja Steuern an – unsere Mehrwertsteuer.

Neue Regeln

Die EU hat neue Regeln erlassen, deren relevante Änderungen ab 1. Juli 2021 gelten – ursprünglich war die Einführung sogar schon für den 1. Januar 2021 geplant. Warum betrifft uns das aber jetzt schon? Ganz einfach – der Artikel 63 der „Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem“ sagt: „Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird“, beziehungsweise: „Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt.“ (Artikel 70).

Pledge Manager zu Massive Darkness 2: 19% VAT auf den Pledge und die Versandkosten

Heißt für uns: Nicht bei der Kickstarter-Kampagne oder dem Pledge Manager, sondern wenn wir unsere Pakete erhalten – auch wenn wir schon zuvor dafür bezahlen. Alle Kickstarter-Projekte, die also nach dem 1. Juli diesen Jahres ausgeliefert werden, sind also von den neuen Regeln betroffen.

Aber war nicht zuvor auch schon VAT zu entrichten? Klar. Aber es gab gewisse Schlupflöcher, die genutzt wurden. Dies hat auch die EU erkannt, wie auf deren FAQ-Seite zu erkennen ist:

„Den derzeitigen Regeln zufolge sind aus Drittstaaten über das Internet erworbene Waren von der Mehrwertsteuer befreit sind, wenn sie weniger als 22 EUR kosten. Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU können auf betrügerische Weise teure Waren wie Mobiltelefone und Tablets mit Anschaffungskosten von weniger als 22 EUR deklarieren, was bedeutet, dass keine Mehrwertsteuer gezahlt wird. Dadurch werden EU-Unternehmen gegenüber Drittstaatunternehmen klar benachteiligt.“

Nun geht es bei „unseren“ Crowdfundings zwar nicht um Handys und Tablets, aber es wird sicher einigen schon einmal aufgefallen sein, dass große Brettspiel-Pledges über mehrere hundert USD Lieferscheine/Rechnungen anbei hatten, wo deren Wert nur wenige USD betrug – eben genau das, was nun verhindert werden soll. Die bisherige Regelung, wonach Waren unter 22 EUR Wert steuerfrei blieben, entfällt. Die bisherigen Steuerverluste werden auf rund 5 Mrd EUR jährlich geschätzt, 2020 sogar bis zu 7 Mrd EUR.

Dies betrifft dabei einen großen Teil der eingeführten Waren laut FAQ: „Auf der Grundlage einer kürzlich durchgeführten Studie über echte Käufe wurde festgestellt, dass 65 % der Sendungen aus Drittländern in der EU nicht mehrwertsteuerkonform waren.“

Zu den neuen Regeln gehören laut FAQ u.a.:

  • „Neue Vorschriften, die es Unternehmen, die Waren online verkaufen, ermöglichen, ihren sämtlichen MwST-Pflichten in der EU über ein digitales Portal („One Stop Shop“) nachzukommen, das von ihrer eigenen Steuerverwaltung in ihrer eigenen Sprache verwaltet wird. Diese Vorschriften gelten bereits für Online-Händler elektronischer Dienstleistungen („E-Dienste“)“
  • „Große Online-Marktplätze werden erstmals für die Abführung der Mehrwertsteuer verantwortlich sein, die für Verkäufe auf ihren Plattformen erhoben wird, die von Unternehmen in Drittländern an Verbraucher in der EU getätigt werden. Verkäufe von Waren, die von Drittlandunternehmen bereits in Warenlagern (sogenannten Erfüllungszentren) innerhalb der EU gelagert werden, welche häufig dem Zweck dienen, Waren auf betrügerische Weise mehrwertsteuerfrei an Verbraucher in der EU zu verkaufen.“

Auf der Übersichtsseite wird zudem spezifiziert: „Anders als heute, stellt der Verkäufer, wenn er von der Einfuhr-Regelung Gebrauch macht, die Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt des Verkaufs an EU Endkunden in Rechnung, hebt sie ein und erklärt und entrichtet die Mehrwertsteuer im One Stop Shop an den Mitgliedstaat der Identifizierung. Diese Waren sind bei der Einfuhr von der Mehrwertsteuer befreit, was für eine rasche Zollabfertigung sorgt.“

Zusammenfassung und Versandfrage

Ohne tiefer ins Detail zu gehen, ist das Ziel der EU offenkundig, bisherige Schlupflöcher (die dem Anschein nach auch von einigen großen Firmen im Brettspielbereich genutzt wurden) zu schließen und durch neue Maßnahmen eine korrekte Steuerentrichtung sicher zu stellen. Bewusste Falsch-Deklarationen sollen unmöglich gemacht werden, und die Verrkäufer bzw. Online-Plattformen sind verpflichtet, die VAT zu erheben und ordnungsgemäß abzuführen.

Ein weiterer Aufreger ist dabei aktuell die vermeintliche Dreistigkeit, dass selbst auf die Versandkosten Steuern berechnet werden. Auch dies ist jedoch korrekt. Versandkosten zählen als „Nebenkosten“, die berücksichtigt werden müssen, wie Artikel 78 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem“ sagt:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:
(…)
b) Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.“

Entsprechend ist die Berechnung und Einforderung von VAT auf „Shipping und Handling Fees“ rechtlich notwendig.

Letztlich mag es uns ärgern, künftig zusätzliche 19 % Steuern auf unsere Pledges und deren Versandkosten zu zahlen – aber dies ist nicht optional sondern dem EU-Recht geschuldet. Im Gegenteil: Womöglich hätten wir in vielen Fällen schon früher zahlen müssen, aber haben von der bewussten Falsch-Deklaration von Warenwerten durch die Versender profitiert.