Tabletop-Systemvorstellung: Infinity – The Game
Große Kampfroboter, Weltraumsamurai und Kämpfe im Cyberspace – das Infinity-Universum bietet vieles was Animefans anspricht. Dies ist auch nicht verwunderlich, liegen die Vorbilder wie Bubble Gum Crisis oder Ghost in the Shell nicht nur auf der Hand, sondern werden auch klar als solche durch die Macher benannt. Das Tabletop hat durch seine hohe Miniaturenqualität und detailliertes Regelsystem viele Anhänger gefunden, zugleich schreckt dieses Regelsystem aber auch viele potentielle Neulinge ab. Was es mit beiden Seiten auf sich hat schauen wir uns kurz an.
Dieser Beitrag wurde von einem Gastautor geschrieben: Michael Mattner. Michael ist seit der ersten Edition begeisterter Infinity-Spieler und hat unter anderem für das Infinity-Rollenspiel mehrere Hintergrundtexte beigesteuert.
Produziert wird Infinity von der spanischen Firma Corvus Belli (CB), die ihre Aktivitäten auf dem Markt für historische und Fantasyminiaturen aufgegeben haben, um sich auf Infinity zu konzentrieren. Neben dem Tabletop gibt es inzwischen Ableger im der Form von Aristeia!, einem Arenakampfspiel, dem Infinity Rollenspiel und bald Defiance, einem kooperativem Dungeoncrawler. Wo spielt dies denn nun alles?
Universum
Etwa 170 Jahre in der Zukunft hat die Menschheit nicht nur, dank stabiler Wurmlöcher, mehrere Planetensysteme kolonisiert, sondern dank dem Kubus – einem Persönlichkeitsbackup – und fortgeschrittener Klontechnik auch den Tod bezwungen. Zumindest für diejenigen, die reich und einflussreich genug sind.
Die menschliche Sphäre, wie der Einflussbereich der Menschheit genannt wird, teilt sich in mehrere machtvolle Nationen. O-12, die Nachfolgeorganisation der UNO, wiederum versucht, das Gleichgewicht zwischen den einzelnen, um die Macht ringenden Großmächten aufrecht zu erhalten. Unterstützt wird O-12 dabei von Aleph, der künstlichen Intelligenz der Menschheit, welche die wirtschaftliche und logistische Organisation zwischen den Sternensystemen regelt. Allerdings wird Aleph nicht von allen menschlichen Mächten akzeptiert, so dass Konflikte nicht lange auf sich warten lassen.
Die ohnehin fragile Balance zwischen den Nationen geriet weiter ins Wanken, als der Erstkontakt mit den Kämpfern der Vereinigten Armee blutig verläuft. Die Entwickelte Intelligenz, eine uralte K.I. die bereites mehrere Zivilisationen unterjocht oder ausgelöscht hat, hat nun auch ein Auge auf die Menschheit geworfen. Anstatt sich dieser Gefahr gemeinsam zu stellen ist die Menschheit weiter uneins. Das Bündnis mit den Tohaa, einer alten Spezies, die sich ebenfalls im Krieg mit der Vereinigten Armee befindet, war ein kurzer Hoffnungsschimmer. Jedoch ist die resultierende Zusammenarbeit zwischen Tohaa und Menschen bestenfalls eine unsichere Allianz, da beide Seiten ihre eigene Agenda verfolgen.
Der Hintergrund, die Einheiten und die Charaktere in Infinity sind mit viel Hingabe und Einfallsreichtum geschrieben. Neben vielen typischen Rollenspieldetails – ursprünglich ist das Spiel aus einer Rollenspielrunde der Designer hervorgegangen – findet man überall Referenzen auf die klassische und vor allem die Popkultur. Dies sorgt dafür, dass Modelle zum Teil direkte Abbilder von Schauspielern oder Comic- und Mangacharakteren sind.
Doch wie unterscheiden sich die Mächte auf dem Spielfeld und wer sind sie?
Panoceania
PanOceania ist die Hypermacht, hervorgegangen aus dem ozeanischen Raum als Zusammenschluss kleinerer Staaten, haben sie heute die meisten Planeten, das meiste Geld, die beste Technik und die größte Armee. PanOceania ist eine kapitalistische, technologische Nation die sich als Anführer und Speerspitze der Menschheit sieht. Ihre Bürger sehen sich in der bestmöglichen menschlichen Gesellschaft und verteidigen diese auch – mit allen Mitteln.
PanOceania hat Zugriff auf die beste Technik, was sich in der großen Zahl an T.A.G.s – Tactical Armoured Gear, menschenähnlichen Kampfrüstungen – widerspiegelt. Es gibt für jedes Aufgabengebiet einen Spezialisten und die Spezialisten PanOceanias sind sehr gut in ihrem Job. Der Preis der Spezialisierung ist fehlendes Improvisationstalent. PanOceania bevorzugt es zumeist erst zu schießen und dann die Missionsziele zu erfüllen. Die Ausnahme bilden hier die Ritterorden, die doch gerne den Nahkampf bevorzugen.
Yu Jing
Unter dem Banner von Yu Jing hat sich eine asiatische Supermacht geformt. Mit China als Anführer hat sich eine sozialistisch-kapitalistisches System mit einem massivem Rechtsapparat gebildet. Yu Jing ist überzeugt, dass es sein Schicksal ist die Menschheit in die Zukunft zu führen. Als Gesellschaft repressiver als PanOceania, dafür gerechter und jeder hat seinen Platz in ihr.
Yu Jing kann auf eine sehr diverse Auswahl an Truppen mit viele Fähigkeiten zugreifen. Spezialisten existieren aber neben ihnen findet sich eine große Reihe an Generalisten in der Armee, die flexibel auf die Lage reagieren können. Die T.A.G.s von Yu Jing reichen nicht an die von PanOceania heran, jedoch verfügen sie über die besten schweren Infanteristen im Spiel. Es gibt nur wenige Gebiete, auf denen die Armee Yu Jings heraussticht, aber dafür hat sie im Gegenzug auf alles eine Antwort parat.
Ariadna
Die erste Kolonie außerhalb des Sol-Systems war auf dem Planeten Dawn und trägt heute den Namen des Schiffes welches sie dorthin brachte – Ariadna. Das zweite Schiff erreichte niemals die Kolonie, da das Wurmloch zusammenbrach. Vom Rest der Menschheit isoliert und auf einem Planeten mit aggressivem indigenem Leben gestrandet, haben sie sich zu einem rauen, aber gespaltenem Volk entwickelt, welches nur gegenüber den Außenseitern – dem Rest der Menschheit zu dem erst seit wenigen Jahrzenten wieder Kontakt besteht –geschlossen auftritt.
Ariadna verfügt über die technologisch rückständigste Armee, und verlässt sich daher viel auf tarnen, täuschen und bewegen, um dem Gegner seinen Spielstil zu diktieren. Zwei weitere Dinge helfen ihnen gegen die anderen Armeen zu bestehen. Das erste ist Teseum, ein Material, aus welchem sich hervorragende Waffen und Rüstungen herstellen lassen. Zum zweiten wären da die Antipoden, die Einheimischen, welche die Ariadner teilweise zum Kampf abrichten. Aus den Antipoden gingen die Dog Faces, Mensch-Antipoden Hybriden, hervor, die es körperlich mit T.A.G.s aufnehmen können.
Nomaden
Das Volk der Nomaden besteht aus den Bewohnern dreier gewaltiger Raumschiffe – Tunguska, Corregidor und Bakunin. Nicht willens in einer Gesellschaft zu leben, die von gewaltigen, makroökonomischen Blöcken und einer künstlichen Intelligenz kontrolliert wird, haben sie sich von dieser gelöst und streifen nun durch den Weltraum und leben vom Handel mit den verschiedenen Planetensystemen.
Das Militär der Nomaden ist klein und hochtechnisiert. Viele Truppen verfügen über Spezialfertigkeiten, was sie vielseitig einsetzbar macht, zudem verfügen sie über die besten Drohnen des Spiels. Der dauerhafte Kampf gegen Aleph ließ sie zu Experten der Computerkriegsführung werden, daher ist die Armee der Nomaden sehr gut im Hacken. All dies bezahlen sie aber mit einem Mangel an gut gepanzerten und schwer bewaffneten Truppen. Ähnlich wie Ariadna leben die Nomaden davon, dem Gegner ihren Rhythmus aufzuzwingen.
Haqqislam
Der Haqqislam, der neue Islam, ist eine kleinere Macht mit nur einem Sternensystem. Der Haqqislam distanzierte sich vom Fundamentalismus und begründete eine Kultur auf einem humanistischen und philosophischen Islam, der die Suche nach Wissen in sein Zentrum stellt. Umweltwissenschaft, Terraforming und Medizin sind die größten Stärken der Haqqislam. Sie haben das Monopol auf Silk, den Stoff der benötigt wird um Menschen wiederauferstehen zu lassen, und verteidigen dieses Recht mit eiserner Faust.
Technologisch nicht auf derselben Stufe wie PanOceania und Yu Jing, haben sie zwar Zugriff auf Hochtechnologie, aber nur in geringem Maße. Dies gleichen sie aber mit den Fähigkeiten ihrer vielfältigen leichten Infanterie wieder aus. Mit den Hassassin verfügen sie über einige sehr gefährliche Attentäter, so dass sich kein gegnerisches Modell sicher fühlen kann.
Aleph
Aleph, der beste Freund der Menschheit oder ihr ärgster Feind, die Meinungen sind geteilt. Ohne die KI würde das logistische System der menschlichen Sphäre in sich zusammenstürzen und Alephs Stahlphalanx ist einer der wenigen Truppenverbände, der regelmäßige Erfolge gegen die vereinigte Armee erzielt. Dennoch: Wer kann schon sagen was die KI im Schilde führt?
Die Armee von Aleph ist vor allem eins: eine Elitestreitmacht. Die Truppen sind allesamt sehr gut ausgerüstet und ausgebildet. Was sich naturgemäß in hohen Punktekosten niederschlägt, wodurch man zumeist in der Unterzahl ist. Zudem haben sie nur geringen Zugriff auf schwere Waffen.
Die vereinigte Armee (Combined Army)
Die vereinigte Armee ist ein Konglomerat verschiedener Spezies, die alle unter der Herrschaft einer alten künstlichen Intelligenz stehen. Zur Agenda dieser so genannten entwickelten Intelligenz (EI) gehört die Unterwerfung jeglicher intelligenter Spezies, um sie für ihre Zwecke arbeiten zu lassen.
Die Truppen der vereinigten Armee bestehen aus Mitgliedern verschiedener Spezies, die sich alle auf eine Art des Kampfes spezialisiert haben. Hinzu kommt die technologische Überlegenheit gegenüber der Menschheit, was sich in einzigartigen Waffen und Ausrüstung ausdrückt. Die vereinigte Armee hat auf alles eine Antwort in ihrem Arsenal, muss aber zusehen ihre sehr teuren Modelle nicht zu früh zu verlieren.
Tohaa
Die Tohaa sind eine hochentwickelte außerirdische Zivilisation, die sich in einem offenen Krieg gegen die EI befindet. Die Tohaa sind Meister der Biotechnologie, nutzen grausige virale Waffen und schützen sich mit symbiotischen Rüstungen. Zudem verändern sie weniger entwickelte Spezies, damit diese in ihren Armeen kämpfen können.
Die Tohaa zeichnen sich besonders dadurch aus, in kleinen effektiven Kampfverbänden zu agieren. Zusammen mit ihren starken Rüstungen bilden sie eine Armee, die auf guter Platzierung und Synergieeffekten aufbaut.
Freiberufliche (Non Aligned Armies)
Die dauerhaften Konflikte sind natürlich ein guter Nährboden für Söldner. Hier finden sich verschiedene große Söldnerkompanien oder kriminelle Syndikate, deren Truppen sich zumeist aus Einheiten verschiedener Fraktionen zusammensetzen. Ebenfalls hier finden sich die Truppen des japanischen Kaiserreiches, welches sich vor kurzem (In Realzeit: 2018) in einem Bürgerkrieg von Yu Jing losgesagt hat. Die verschiedenen Armeelisten hier sind zu divers, um sie kurz zusammenfassen zu können. Die Listen dienen vor allem dazu, Spielern zu ermöglichen ihre verschiedenen Modelle zu kombinieren und neue Taktiken auszuprobieren.
O-12
Frisch hinzugekommen (2019) sind die Einheiten von O-12, die als internationale Polizeitruppe von Corvus Belli vermarktet werden. O-12 vertritt die Interessen der gesamten Menschheit und muss sich so gegen die Machenschaften der Großmächte behaupten können. Natürlich sind nicht alle Entscheidungen von O-12 besonders beliebt bei den einzelnen Nationen, so dass die Durchsetzung von Beschlüssen durchaus aggressive Form annehmen kann.
Derzeit hat O-12 eine sehr eingeschränkte Truppenauswahl mit sehr optimierten Spezialistenprofilen, leiden aber unter einem Mangel an Varianz in Waffen und vermissen viele Sonderfähigkeiten. Dafür haben sie aber Zugriff auf die einzige Flächenwaffe des Spiels, die Modelle festkleben anstatt töten kann.
Stil, Modelle und Einstiegspreis
Infinity-Modelle haben zwei leichte Größenwechsel hinter sich. Die ersten Modelle von 2005 bis 2009 waren etwa im 30 mm Maßstab, die von 2009 bis etwa 2013/14 im Realistic Ccale 28 mm Maßstab, und die aktuelleren sind eher im 30-32 mm Maßstab anzusiedeln. Mit wenigen Ausnahmen kann man die Modelle aus verschiedenen Ären aber gut gemeinsam nutzen, ohne dass es seltsam aussieht.
Die Modelle sind aus Metall gegossen und weisen eine hervorragende Gussqualität sowie Detailabbildung auf. Dies wird durch den hohen Druck erreicht und lässt daher viele Gussgrate zurück die entfernt werden wollen. Jedoch gehört Corvus Belli zu den Herstellern mit der besten Qualität überhaupt. Die Figuren sind daher ein großes Plus.
Die verschiedenen Fraktionen des Systems unterscheiden sich genug voneinander, um verschiedene Geschmäcker anzusprechen. Vom sauberen Sci-Fi-Look von PanOceania über den modernen Militärlook von Ariadna bis hin zum fremdartigen Aussehen der Vereinigten Armee findet sich für jeden Spieler etwas. Einige Modelle sind sehr nahe an den Anime Vorbildern, andere sehr weit davon entfernt, dasselbe gilt für das Artwork, das eine große Bandbreite abdeckt.
Preislich sind die Modelle eher im oberen Bereich anzusiedeln, aber Metall ist teuer und die Qualität wirklich überzeugend. Der beste Einstieg derzeit sind sicherlich die zwei Spieler Einsteigersets die für beide Seiten je sieben Miniaturen sowie Gelände, Marker und Schablonen enthalten. Derzeit gibt es 4 dieser Sets, wobei das letzte Operation: Wildfire deutlich hochwertigere Pappe enthält als die vorherigen. Preislich liegen die Sets bei 80 – 100 Euro und mit nur wenigen Modellen mehr sind zwei vollständige Armeen zu haben.
Aufbau und Spielregeln
Infinity ist ein Scharmützel-Spiel und in den meisten Fällen stehen 7-15 Modelle pro Seite auf dem Tisch. 120cm x 120cm ist die Standardspielgröße für ein Spielfeld, jedoch muss erwähnt sein, dass Infinity vergleichsweise viel Gelände benötigt. Mit den offenen Tischen vieler anderer Systeme ist das Spiel meist recht kurz aufgrund der Reaktionsmechanik (s.u.) und eher langweilig. Einen guten Tisch zu bauen hat seine eigene Lernkurve in Infinity.
Zum Zusammenstellen der eigenen Armee empfiehlt sich der offizielle Army Builder, der alle aktuellen Profile enthält und auch in einer mobilen Version vorhanden ist. Die Truppenauswahl ist sehr breit und man hat eine Unmenge an Variationsmöglichkeiten der Armeezusammenstellung, auch schon bei kleinen Punktzahlen.
Neben den Figuren benötigt man nun nur noch ein Maßband und ein paar Würfel zum Loslegen. Gemessen wird bei Infinity entweder in Zentimeter oder Zoll, beide Angaben sind vorhanden, man muss sich nur mit seinem Mitspieler vorher einigen. Gewürfelt wird mit zwanzigseitigen Würfeln und je nach Situation muss hoch oder niedrig gewürfelt werden.
Für sogenannte normale Proben muss man unter seinen Attributswerten bleiben. Diese liegen zumeist im Bereich von 10-15, also hat man eine gute Chance es zu schaffen. Verschiedene Modifikatoren, die immer in 3er Schritten kommen, können dies erschweren oder erleichtern.
Wird ein Modell getroffen gibt es keinen Schadenswurf sondern es wird direkt ein Schutzwurf durchgeführt. Dabei muss der Schaden der Waffe überboten werden. Ein Standardgewehr verursacht zum Beispiel 13 Schaden und ein normaler Infanterist hat eine Panzerung von 1 die als Bonus gilt – kein Modell ist unverwundbar in Infinity.
Interessant wird es, wenn zwei Modelle gegeneinander würfeln. Dann muss gleichzeitig hoch und niedrig gewürfelt werden. In diesem Fall muss der eigene Attributswert unterboten und gleichzeitig der Würfelwurf des Gegners überboten werden. Höhere erfolgreiche Würfe kontern niedrigere aus, so kann es auch vorkommen, dass nur ein Teilerfolg erzielt wird. Als weiteren Faktor gibt es kritische Treffer, wenn man exakt den benötigten Wert würfelt. Diese schlagen alle anderen Erfolge.
Doch wie kommt es dazu, dass zwei gegnerische Modelle gleichzeitig handeln?
Spielablauf
Infinity unterteilt jede Spielrunde in zwei Spielerzüge, wobei jeder Spieler einen aktiven und einen reaktiven Zug hat. Der aktive Spieler darf seinen Modellen Befehle aus seinem Befehlspool zuteilen um sie zu aktivieren. Der Befehlspool ist eine der Besonderheiten des Spiels, denn zu Beginn jeder Runde werden die Befehle jedes Modells in diesem gesammelt. Abhängig vom Modell sind dies reguläre oder irreguläre Befehle, irreguläre Befehle dürfen nur von dem Modell genutzt werden welches ihn generiert hat, reguläre Befehle dürfe für jedes beliebige Modell verwendet werden. Das bedeutet, dass ein Modell durchaus mehrmals in einer Runde handeln kann, während andere vielleicht nur abwarten.
Dies erlaubt es dem aktiven Spieler seine Truppen möglichst effektiv zu nutzen – hat ein Schuss verfehlt, kann man es sofort erneut versuchen, bis es klappt oder einem die Befehle ausgehen und man sein Modell vielleicht in einer ungünstigen Lage hat stehen, nur um noch einmal zu schießen. Ressourcenmanagement ist ein wichtiger Teil von Infinity.
Was macht der reaktive Spieler währenddessen? Er reagiert. Jedes Mal, wenn der aktive Spieler ein Modell aktiviert, dass sich in direkter Umgebung oder im Sichtbereich eines Modells des reaktiven Spielers befindet, darf dieses Modell reagieren. Die Reaktionsmöglichkeiten sind eingeschränkt im Vergleich zum Modell des aktiven Spielers, aber sie erlauben es sich zu verteidigen oder in Deckung zu springen. Daher muss der aktive Spieler sich seine Feuergefechte auch gut aussuchen sonst verliert er seine Modelle schnell an die gut verschanzten Truppen seines Gegners.
Durch dieses System kann der aktive Spieler nicht frei über das Spielfeld verfügen, sondern muss Wege finden die Verteidigung der anderen Truppe zu unterlaufen. Ein unbedachtes Vorgehen wird selten zum Erfolg führen in Infinity.
Zugänglichkeit
Von der Regelseite her schreckt Infinity viele Spieler erst einmal ab. Die Grundregeln sind rasch erlernt, aber die schiere Menge an Sonderregeln wie Luftlandetruppen, taktisches Hacking, Tarnung – bis hin zu vollständig unsichtbaren Modellen – sind doch ein großer Brocken. Nähert man sich diesen aber in kleinen Schritten ist es ein gut verdaubarer Brocken. Die Einsteigersets arbeiten bereits mit einer vereinfachten Version der Regeln zum flüssigen Einstieg, und für nächstes Jahr ist geplant die Regeln in eine Einsteiger- und eine Fortgeschrittenenvariante zu trennen.
Die Regeln stehen kostenlos zum Download zur Verfügung, daher steht einem schnellem Einstieg nichts entgegen. Eine aktive Community im Netz und die offizielle Regelwiki unterstützen bei Fragen. Es ist nicht ungewöhnlich, auf im Forum gestellte Fragen noch während eines Abends Antwort zu bekommen.
Die Zahl der Bücher ist inzwischen stark angewachsen und der Hintergrund über diese verteilt. Als Nachschlagewerke für die Regeln sind vor allem das Grundregelwerk und Human Sphere von Interesse. Neueinsteigern sei jedoch etwas Geduld geraten, da für nächstes Jahr eine neue Edition angekündigt wurde. Die Bücher werden fürs spielen auch nicht benötigt, der einzige Grund sie zu kaufen ist um den Hintergrund und das Artwork zu genießen. Die hohe Zahl an Spielern mit einer Regalreihe von Infinity-Büchern scheint diesem Ansatz Recht zu geben.
Schlusswort
Infinity bietet actiongeladenes, anspruchsvolles Tabletop mit vielen taktische Möglichkeiten. Cineastische Momente sind ein regelmäßiges Element des Spieles und das System der kritischen Treffer bringt manchmal auch den besten Plan durcheinander. Dies kann zwar gelegentlich kurzfristig frustrierend sein, sorgt aber oft für ein ausgeglicheneres Spiel. Infinity verlangt eine enorme Portion Vertrauen in die Ehrlichkeit des Mitspielers, denn die Aufstellung vollständig unsichtbarer Einheiten, oder welcher Tarnmarker welches Modell enthält, kann spielentscheidend sein. Die Community zeichnet sich aber großteils durch Freundlichkeit und Ehrlichkeit aus, daher ist dies gewöhnlich kein Problem.
Die reaktiven Elemente sorgen für eine dauerhafte Einbindung beider Spieler und verlangen eine stetige Flexibilität ab. Die Regelmenge ist enorm, aber bei einem stufenartigen Einstieg gut zu bewältigen, aber es bleibt definitiv ein Spiel das davon profitiert sich intensiv damit zu beschäftigen. Wer dies tut wird mehr davon haben als der Bier-&Brezel-Spieler. Die Übersetzungen aus dem Spanischen wirken manchmal etwas komisch im Englischen oder Deutschen, aber die Online-Ressourcen schaffen da schnell Abhilfe.
Wer schon einiges an Gelände daheim stehen hat, der kann mit recht wenig Geld einsteigen. Die Regeln sind verfügbar und eine spielbare Truppe ist mit jeder Fraktion für unter 100 Euro zu haben. Freunde taktischen Spiels, einer gewissen Realitätsnähe oder einfach nur Mechafreunde sind allesamt gut aufgehoben bei Infinity.
Titelbild: Corvus Belli, bearbeitet durch Team Fresssack
Fotografien: Michael Mattner