KAZÉ Games: Interview mit Programmleiter Dirk Remmecke
Gestern erfolgt die Mitteilung, dass der Medienkonzern VIZ Media Switzerland unter dem Label KAZÉ Games mit 5 Karten- und Rollenspielen in die Branche der analogen Spiele einsteigt. Wir haben dem Programmleiter des neuen Labels, Dirk Remmecke ein paar Fragen gestellt!
Dirk ist dabei alles andere als ein Unbekannter in diesem Bereich. Vor seiner Anstellung beim großen Anime-Publisher vor rund 14 Jahren war er unter anderem Mit-Inhaber eines Spiele-Fachgeschäfts, Autor bei Fachzeitschriften und einer der Mitbegründer der Convention Hannover Spielt!
Doch auch während seiner Tätigkeit in den letzten 14 jahren blieb er dem Spiele-Hobby erhalten – unter anderem saß er einige Jahre in der Jury des Deutschen Rollenspielpreises und betätigte sich als Autor des „Manga-Rollenspiels“ Record of Dragon War, welches nach Verlagswechsel bei KAZÉ Games erscheinen wird.
Wir denken, es ist eine äußerst positive Nachricht, dass ein solch erfahrenes Urgestein der Szene als Programmleiter des neuen Labels agiert – und ebenso freut uns, dass er die Zeit fand unsere Fragen zu beantworten!
Team Fresssack: Wie kam es zu der Entscheidung, auch Spiele abseits eurer Kernthematik Anime/Manga zu veröffentlichen?
Dirk: Das hat sich eher zufällig so ergeben. Als wir beschlossen, ein Spielelabel zu starten, hatten wir natürlich unsere Kernthemen im Fokus und haben Spielideen für verschiedene unserer Lizenzen verfolgt. Aber wer sich je mit japanischen Lizenzen befasst hat, weiß, dass dies ein extrem langwieriger Prozess sein kann.
Eigentlich nur zur Abrundung des Labels habe ich dann mein „Steckenpferd“ Rollenspiele mit angesprochen und nach schönen, kleinen Spielen geforscht, die man einfach „mit machen“ könnte.
Und plötzlich waren die nicht-Anime-Themen ausverhandelt und reif für die Ankündigung. So kann’s kommen!
Team Fresssack: Darf man KAZÉ Games im nächsten Jahr auch als Aussteller auf Veranstaltungen im Bereich Brett-/Karten-/Rollenspiel erwarten? Wenn ja, auf welchen?
Dirk: Wir werden selbstverständlich auf allen Messen, auf denen wir sowieso sind (Leipziger Buchmesse, DoKomi, AnimagiC, Connichi) auch unsere Spiele mit dabei haben.
Auf der Leipziger Buchmesse werden wir wohl einen zweiten Stand haben (aber das ist noch nicht ganz sicher – das hängt davon ab, ob wir die Fläche bekommen).
Es gibt eine Einladung vom Heinzcon, die wir sicherlich annehmen werden. Da freue ich mich drauf, denn das ist einer der wenigen Cons in Deutschland, auf denen ich noch nie war.
Alle anderen Events haben wir „auf dem Schirm“, aber wir müssen schauen, wo wir die personellen Kapazitäten hernehmen können. Wenn ich auf Messen fahre, bleibt redaktionelle Arbeit liegen – da muss ich eine Balance finden.
Team Fresssack: Wird es, insbesondere bei den Rollenspielen, ein Support-Programm ähnlich dem der Mitbewerber geben?
Das wünsche ich mir sehr, aber wenn ich das richtig in der Vergangenheit beobachtet habe, erwachsen solche Programme aus einem harten Kern von „organisch“ entstandenen, begeisterten Fans. Ich glaube nicht, dass man das forcieren kann. Da muss man abwarten, wie die Spiele sich in freier Wildbahn behaupten werden.
Wer Lust hat, bei sowas mitzumachen, darf sich gerne bei mir melden…
Team Fresssack: Wird KAZÉ Games von spezifischen Mitarbeitern geführt, welche nur dieses Label betreuen, oder wird dies „nebenbei“ von Mitarbeitern anderer Bereiche geleitet?
Dirk: Nein, KAZÉ Games ist ein Vollzeitprojekt. Na gut, fast. Es gibt ein paar kleinere Projekte, die ich traditionell weiter betreue: Vorträge zum Thema Manga und Anime in Schulen und Bibliotheken (die jetzt allerdings auch um das Thema Games ergänzt werden) und den GratisComicTag, und hin und wieder kann auch die Betreuung eines japanischen Ehrengastes dazukommen.
Bei Übersetzung, Layout, Lektorat arbeitet KAZÉ Games mit Freelancern, wobei wir von Fall zu Fall prüfen werden, ob einzelne Aufgaben auch inhouse wahrgenommen werden können.
Darüber hinaus gibt es übliche Verlagsarbeiten, die von den relevanten Abteilungen mit abgedeckt werden – Marketing, Social Media, Presse, Vertrieb. Wir werden z.B. kein eigenes Netzwerk von Spiele-Vertretern aufbauen, wir haben unsere Vertreter für den Multimediamarkt und den Buchhandel, die dann auch unsere Games – je nach Eignung für ihre Märkte – mit anbieten werden.
Team Fresssack: Darf man damit rechnen, dass in Zukunft neben Record of Dragon War noch weitere Rollenspiele im Manga-/Stil bei euch erscheinen werden?
Dirk: Ja, definitiv!
Aber da ist noch nichts spruchreif. Die nächste Rollenspiel-Ankündigung, die schon fast reif ist, hat jedenfalls nichts mit Manga zu tun. Wohl aber … nein, ich halte die Klappe.
Team Fresssack: Sind deinerseits zu Record of Dragon War weitere Publikationen geplant?
Dirk: Von mir war Record of Dragon War ursprünglich als „Ein-Produkt-Spiel“ geplant gewesen, komplett und abgeschlossen. Eben weil ich nicht wusste, ob ich neben meinem Brotjob (Marketing bei KAZÉ…) noch Zeit für die Betreuung einer Linie haben würde, und ich die Käufer der Box nicht mit einem halben Spiel im Regen stehen lassen wollte.
Nun sind die Karten neu gemischt. Die Box wird immer noch autark spielbar sein, aber für mich ist jede Beschäftigung mit dem System plötzlich Arbeitszeit, was Folgeprodukte durchaus wahrscheinlich macht.
Ach so, eine weitere Publikation kommt sicher: das Spielleiter-Set, das aus einem Spielleiterschirm und Abenteuer besteht. Das war Teil des Kickstarters und immer als separates Produkt vorgesehen. Das werden wir auch so umsetzen, wie von Uhrwerk geplant.
Team Fresssack: Welche Ambitionen verfolgt KAZÉ Games? Welches Zielpublikum wollt ihr besonders ansprechen?
Dirk: Alle Leute, die gerne spielen, natürlich!
Manga- und Anime-Fans (auch wenn man das bei den 5 ersten Spielen noch nicht so richtig sehen kann), sowie Rollenspieler (hier bevorzugt Einsteiger, weil mir die Verbreitung des Hobbys sehr am Herzen liegt).
Bei Brettspielen werden wir eine Gratwanderung machen, das ist uns bewusst. Sobald ein Spiel ein Lizenzthema hat, wird es leicht als „simples Merchandisingprodukt“ angesehen. Und für mache Spiele mag das stimmen; ich erinnere mich an das erste Krieg-der-Sterne-Brettspiel „Die Flucht vom Todesstern“ (1977 von Parker), das war ein grausliges Würfel- und Laufspiel der einfachsten Art.
Ich hoffe, dass der Markt unseren Spielen einen aufmerksameren, gerne kritischen Blick gönnen wird, und erkennen wird, dass wir nicht in dieser Kategorie denken.
Bei den Brettspielen werden wir allerdings auch Themen abseits von Manga und Anime verfolgen (und da schließt sich der Kreis zur ersten Frage), schon allein, weil wir sonst als Brettspielverlag in eine Schublade gesteckt werden und uns mancher Händler nicht wahrnehmen wird.
Team Fresssack: Wie schätzt Du das Potenzial ein, innerhalb der Manga-/Anime-Community Fans für das analoge Spielen zu begeistern? Gibt es bereits Planungen, wie ihr euch spezifisch mit KAZÉ Games dort präsentieren wollt?
Dirk: Ich würde behaupten, dass die Manga-/Anime-Community dem Spielen gegenüber weit offener eingestellt ist als umgekehrt – Rollenspieler und Brettspieler haben meiner komplett subjektiven Beobachtung nach eher „Befindlichkeiten“ in Richtung Anime. Nein, die Anime-Community ist dem analogen Spiel sehr zugetan – man muss sich auf Messen nur die Turniertische für z.B. Yu-Gi-Oh! oder das klassische Go anschauen.
Jede Manga-/Anime-Veranstaltung hat einen Brettspielraum, in dem Spiele mit japanischen Themen erklärt werden und gespielt werden können. Sehr viele Conventions haben sogar dezidierte Rollenspielräume, teilweise betreut von Rollenspielvereinen der Region. (Auf der AniMaCo und der MMC, die beide in Berlin stattfanden, wurde der Raum vom Nexus e.V. betreut – einem Verein, in dem ich selbst Mitglied war, als ich 2003 nach Berlin zog.)
Es ist gar nicht nötig, Animefans für das analoge Spielen zu begeistern. Wir müssen sie natürlich noch für unsere analogen Spiele begeistern… aber da sehe ich auch kein Problem.
Team Fresssack: Vielen Dank für deine Zeit, und viel Erfolg!
Artikelbilder: Dirk Remmecke / AV Visionen GmbH